20061126

Schnell verschwunden...

... aus dem Netz sind die Hinweise auf Bastian B., den jungen Mann, der Emsdetten bekannt gemacht hat. Etwas makaber vermeldet MySpace:
Ungültige Freund-ID.
Dieser Benutzer hat entweder seine Mitgliedschaft gekündigt oder sein Account wurde gelöscht.


Ja, Account gelöscht. Er seins, ziemlich gründlich. Und auch sonst wurde so einiges aus dem Netz entfernt, von wem ist nicht ganz klar. Seine Webseite, auf der er in einem Abschiedsbrief seine Taten angekündigt haben soll, wie bei Telepolis und Indymedia dokumentiert. Mehrere Mirrors hat es anscheinend auch schnell wieder aus dem Netz gekegelt. Der Google-Cache hat bereits die neueste Version der Seite, also die Confixx-Meldung, dass die Seite gesperrt sei.

~~~
Update:
Auf http://www.keinmensch.de steht etwas mehr dazu, wie es zu der Zensur kam:
Wie die meisten wissen, war hier am 20. November Bastians Abschiedsbrief zu lesen, ergänzt durch eine Sammlung von Bildern, Forenauszügen und Videos. Doch dann wurde ich -so wie viele andere- von der Kriminalpolizei angerufen.


Dialog(sinngemäß):

"...wir bitten Sie, den Brief, so wie sonstiges Material bezogen auf Herrn Bosse unverzüglich aus dem Netz zu nehmen..."

"Bitten Sie mich jetzt nur darum, oder bin ich rechtlich dazu verpflichtet dies zu tun?"

"Ich glaube nicht, dass Sie sich jetzt mit uns anlegen wollen..."

"Nein ich wollte nur wissen, weil..."

(ins Wort fallend) "na dann sind wir uns ja einig"

Gespräch Ende

~~~

Wie üblich und wie zu erwarten war die Meldung natürlich zugleich der Startschuss für die Herren der Demokratur, mit dem Sabbern anzufangen. Diese Art ereignisgesteuerter verbaler Inkontinenz geht mir zunehmend auf den Geist.
Und es wundern sich die Schwarzweißmaler, die alles und jedes dafür benutzen würden, ihren Namen in die Medien zu drücken, ihre Klientel zu bedienen, ihre Ziele durchzusetzen, dass der Michel ihnen untreu wird. Ich finde, der Michel sollte dafür sorgen, dass die Amokläufer in Zukunft die richtigen Ziele finden. Schulen sind absolut ungeeignet. Wie wär's statt dessen mit Kabinettssitzungen!?

(Und das scheint nicht nur mir so zu gehen. Ich frage mich manchmal, wie lange es noch dauert...)

Ein Rant wie dieser mag manchmal befreiend wirken. Ein entlarvenderer, bissigerer und um Längen geistvoller Weg mit der politischen Verbalinkontinenz umzugehen, findet sich hier.

20061124

Tschechien. Eine Nachbarschaftskunde für Deutsche.

Wenn ich mich mit Bekannten unterhalte, die Tschechien aus der Vorwendezeit oder von Besuchen in Prag oder im Riesengebirge zumindest flüchtig kennen, bemerke ich immer wieder, dass die meisten Deutschen offenbar kaum etwas über unsere östlichen Nachbarn wissen. Preiswertes Essen und Bier, vielleicht noch Karlsbrücke und Schneekoppe - mehr fällt meinen Gesprächspartnern in der Regel nicht ein, es sei denn, sie oder ihre Eltern gehören zu den 1945/46 Vertriebenen.

Nun ist jemand angetreten, diese Lücke zu schließen. Hans-Jörg Schmidt zog 1990 mit seiner Familie aus Berlin nach Prag, wo er als Auslandskorrespondent tätig ist. Das prädestiniert ihn in zweifacher Hinsicht, Tschechien den Deutschen näherzubringen: Zum einen weiß er aus eigener Erfahrung, was der Durchschnittsdeutsche über Tschechien weiß und denkt. Zum anderen hatte er nun über 15 Jahre Zeit, das Land kennenzulernen und sich mit den Eigenheiten und der Denkweise der Tschechen vertraut zu machen.

Schmidt beginnt bei der schwierigen gemeinsamen Geschichte, die bis heute präsent ist und in der viele Vorbehalte begründet liegen. In den folgenden Kapiteln streift er die beherrschenden Themen von Politik und Gesellschaft, um sich schließlich dem typisch Tschechischen zuzuwenden, wozu Essen, Bier und Bücher zu zählen sind. Das Buch liest sich flüssig und ringt dem Leser an einigen Stellen ein Schmunzeln ab, wie etwa wenn er den ersten Schultag seiner Tochter schildert, die nicht wusste, dass man in tschechischen Schulen Pantoffeln trägt und daher auf Socken laufen musste.

Wer Tschechien bereits etwas besser kennt, sich mit der deutsch-tschechischen Vergangenheit auseinandergesetzt hat, auf die z. B. in Peter Glotz' Buch "Die Vertreibung" wesentlich detaillierter eingegangen wird, und wer ein wenig die Landessprache versteht oder den deutschen Publikationen von Radio Prag oder der Prager Zeitung folgt, dem wird das Buch nicht viel Neues erzählen. Daher das Fazit: Für einen ersten Einblick gut geeignet, aber wenig in die Tiefe gehend.


Hans-Jörg Schmidt: Tschechien. Eine Nachbarschaftskunde für Deutsche.
CH. Links Verlag, Berlin, 1. Auflage, September 2006
232 Seiten, 16,90 EUR